Physikerin des Monats - Juni 2023

Anna an ihrem Arbeitsplatz. (Bild: Johanna Kraus/BUW)
,,Hallo, mein Name ist Anna und ich bin 23 Jahre alt. Nach dem Abi habe ich an der Uni Wuppertal mit dem Physikstudium begonnen. Dieses habe ich im Dezember 2022 abgeschlossen und bin nun Doktorandin. Ich forsche in der Arbeitsgruppe der experimentellen Elementarteilchenphysik und arbeite an einer Suche nach einem hypothetischen neuen Teilchen, dem Z' Boson.’’
Was mochtest du besonders an deinem Studium an der BUW?
,,In meinem Studium hat mir immer sehr gut gefallen, dass die Uni und insbesondere der Physikstudiengang nicht so groß ist wie an anderen Unis. Dadurch kennt man alle seine Kommiliton*innen und auch viele Professor*innen und Dozent*innen und die Atmosphäre ist fast schon familiär. Ich fand es immer schön, dass man mit seinen Mitstudierenden zusammengearbeitet und sich gegenseitig geholfen hat, man war quasi ein Team.’’
Welche Fachrichtung begeistert dich am meisten? - Warum und um was geht es da?
,,Am meisten interessiert mich die Elementarteilchenphysik. Dabei fasziniert mich besonders das Standardmodell, das die Elementarteilchen und die fundamentalen Wechselwirkungen beschreibt. Ich finde es aber auch spannend zu erforschen, ob es neue Physik gibt, die über das Standardmodell hinausgeht und somit Phänomene erklärt, die momentan vom Standardmodell nicht erklärt werden kann.
Experimentell wird das Standardmodel z.B. mithilfe des LHC (Large Hadron Collider) am CERN (Conseil européen pour la recherche nucléaire) in der Schweiz erforscht. Am LHC gibt es verschiedene große Experimente bzw. Detektoren. Innerhalb dieser Experimente werden Teilchen bei sehr hohen Energien zur Kollision gebracht. Die bei der Kollision entstehenden Teilchen werden detektiert bzw. gemessen und können anschließend weiter ausgewertet werden. Meine Arbeitsgruppe ist am ATLAS-Experiment (A Toroidal LHC ApparatuS), einem der großen Experimente dort, beteiligt.
Abgesehen von der Physik finde ich es super spannend in so einer großen Kollaboration wie der ATLAS-Kollaboration mitzuarbeiten und mit anderen Menschen aus der ganzen Welt zusammenzuarbeiten.’’
Woran arbeitest du gerade?
,,Zur Zeit arbeite ich an einer Analyse, die sich mit einer Suche nach einem neuen hypothetischen Teilchen, dem Z' Boson beschäftigt. Dabei vergleiche ich Daten, die vom ATLAS-Detektor am LHC gesammelt wurden, mit den Erwartungen des Standardmodells. Wenn das Teilchen in den aufgenommenen Daten nicht gefunden werden kann, werden zum Beispiel Massenlimits gesetzt, die aussagen, bis zu welcher Masse die Existenz dieses Teilchens ausgeschlossen werden kann. Dieses neue Teilchen könnte Erklärungen für Abweichungen zwischen Messungen und Vorhersagen vom Standardmodell erklären.’’
Was ist das „Nerdigste“, das du je gemacht hast?
,,Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich als ,nerdig’ durchgeht, aber im Physik-LK haben wir regelmäßig mit dem Bunsenbrenner gegrillt. Bei einem Quiz habe ich herausgefunden, dass ich ein charm-quark bin. Und bei der DPG-Frühjahrstagung in Dresden haben wir oft Teilchentwister gespielt, also wie Twister, aber die Felder repräsentieren die verschiedenen Teilchen.’’
Was ist dein Ausgleich in der Freizeit?
,,In meiner Freizeit mache ich gerne Sport oder spiele Flöte. Da kann man immer gut den Kopf ausschalten und die Physik für einen Moment mal vergessen ;)
Ansonsten lese ich gerne oder schaue Filme und Serien, um in andere Geschichten und Welten einzutauchen.’’
Möchtest du den Studierenden und Studieninteressierten sonst noch etwas mitgeben?
,,Ich musste in meinen ersten Semestern erstmal lernen, dass es nicht schlimm ist, Fragen zu stellen. Deshalb möchte ich allen raten, nicht zu zögern, Kommiliton*innen und/oder Dozent*innen um Rat zu fragen, denn das kann einem eigentlich nur helfen. Auch wenn man sich vielleicht manchmal durchbeißen muss, ist Physik ein schönes und interessantes Studium, bei dem man sehr viel lernt und wirklich tolle Leute kennenlernt!’’
Vielen Dank für das Interview, Anna!
Mehr zur experimentellen Elementarteilchenphysik gibt es hier.
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Physikerin des Monats - Archiv
,,Mein Name ist Sarah Kirchhoff und ich studiere Physik im Master an der Bergischen Universität Wuppertal. In meinem Schwerpunktbereich Atmosphärenphysik arbeite ich zudem bereits seit einiger Zeit als wissenschaftliche Hilfskraft. Durch diese Arbeit erhalte ich bereits während des Studiums viele Einblicke in die Forschung und darf an aktuellen Themen und Projekten mitarbeiten.’’
Was war deine Motivation Physik zu studieren?
,,Ich war schon als Kind sehr an den Naturwissenschaften interessiert und hatte so einige "Do it yourself"-Experimentierkästen zu Hause. Ich war von Natur aus neugierig und wollte die Welt um mich herum verstehen. In der Schule habe ich dann schnell gemerkt, dass mir logisches Denken gut liegt und ich Spaß daran habe, mich mit komplexen Aufgaben zu beschäftigen. Im Physikunterricht habe ich gelernt, wie die Welt um mich herum mit physikalischen Gesetzen beschrieben und erklärt werden kann. Das fand ich äußerst spannend und zufriedenstellend und hat mich letztendlich dazu inspiriert, Physik zu studieren.’’
Welche Fachrichtung begeistert dich am meisten? - Um was geht es da und was begeistert dich daran besonders?
,,Am meisten begeistert mich die Atmosphärenphysik. In der Atmosphärenphysik geht es darum, physikalische (und chemische) Vorgänge in der Atmosphäre zu verstehen, mathematisch zu beschreiben und in Modellen darzustellen. Die wohl bekanntesten Anwendungsgebiete sind die Wettervorhersage und die Klimatologie. Die Atmosphärenphysik begeistert mich so sehr, weil sie viele verschiedene Themenbereiche der Physik vereint und gleichzeitig eine starke Anwendungsbezogenheit aufweist. Zum Beispiel werden viele alltägliche Natur- und Wetterphänomene, wie Gewitter oder Wirbelstürme in diesem Fachbereich behandelt. Das wohl aktuellste Thema der Atmosphärenphysik ist und bleibt der Klimawandel, an dem Wissenschaftler auf der ganzen Welt bereits seit mehreren Jahrzehnten zusammen arbeiten.’’
Woran arbeitest du gerade?
,,Ich habe gerade mit meiner Masterarbeit angefangen. Hier beschäftige ich mich mit der Messung von stabilen Kohlenstoff-Isotopenverhältnissen in flüchtigen organischen Verbindungen (engl.: Volatile Organic Compounds, VOC). Diese Verbindungen spielen eine wichtige Rolle in unserer Atmosphäre und haben durch ihre chemischen Eigenschaften einen entscheidenden Einfluss auf die Luftqualität. Der an der Uni Wuppertal entwickelte Luftprobensammler MIRAH (engl.: Measurements of Stable Isotope Ratios in Atmospheric Trace Gases on HALO) wird auf verschiedenen Missionen des Forschungsflugzeugs HALO (engl.: High Altitude and Long Range Research Aircraft) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) eingesetzt. MIRAH sammelt Luftproben und bereitet diese direkt für die Analyse im Labor vor, wo mittels Gaschromatographie-Isotopenverhältnis-Massenspektrometrie die stabilen Kohlenstoff-Isotopenverhältnisse in den VOC bestimmt werden. Die Ergebnisse liefern dann Informationen bezüglich der Dynamik, Luftmassen-Charakteristik und photochemischer Prozessierung.’’
Wer ist dein Vorbild in der Physik und warum?
,,Mein Vorbild in der Physik ist mein ehemaliger Professor Herr Prof. Dr. Koppmann. Seine interessanten und gut strukturierten Vorlesungen haben mir durch eine schwierige Zeit des Bachelorstudiums geholfen und mir nochmal neue Motivation gegeben. Er hat mir gezeigt, wie vielseitig und spannend die Atmosphärenphysik ist. Letztendlich habe ich mich durch ihn dazu entschieden, im Fachbereich der Atmosphärenphysik meine Bachelorarbeit zu schreiben und mich im Master weiterhin zu spezialisieren. Ich hoffe, dass es mir immer gelingen wird mit genau so viel Begeisterung, Hingabe und guter Laune wie Herr Koppmann bei der Sache zu sein.’’
Mit welchem Klischee möchtest du aufräumen?
,, ,Physik ist nichts für Mädchen/ Frauen.’ Wenn ich jemandem erzähle, dass ich Physik studiere gibt es immer die gleichen Reaktionen. Zuerst fällt ein Kommentar, dass sie damit nicht gerechnet hätten und dass ein Physikstudium garnicht zu mir passt. Danach wird eine Bemerkung dazu gemacht, wie schwierig das Studium sein muss. Ich weiß, dass die Leute es nicht böse meinen, aber genau diese kleinen Bemerkungen und Kommentare zeigen mir immer wieder, dass naturwissenschaftliche Berufe noch immer mit männlichen Rollen verknüpft werden.
Um diese Vorurteile und Klischees zu bekämpfen, habe ich einen öffentlichen Instagram-Account (@fit_female_physicist) gestartet, über den mich meine Follower durch meinen Alltag im Physikstudium begleiten können. Weil ich ein möglichst authentisches Bild schaffen möchte, teile ich hier nicht nur die schönen Momente und Erfolge, sondern spreche auch ganz offen über aktuelle Probleme und Herausforderungen. Mein Ziel ist es, den jungen Menschen (besonders den Mädchen) die Angst zu nehmen sich für ein Physikstudium zu entscheiden und sie zu unterstützen, wenn sie Fragen haben oder Hilfe benötigen.’’
Was ist dein Ausgleich in der Freizeit?
,,In meiner Freizeit treibe ich täglich Sport. In meinen beiden Sportarten Hockey und Softball bin ich sehr erfolgreich unterwegs und stets bemüht, meine Leistungen zu verbessern. Ich werde dieses Jahr zum ersten Mal in der 1. Bundesliga Softball spielen und stehe kurz davor, den Sprung in den Kader der deutschen Nationalmannschaft im Slowpitch zu schaffen. Mir macht es Spaß, mich auf dem Feld auszupowern und zusammen mit dem Team neue Herausforderungen zu meistern. Zudem hat mich der Sport einige Lektionen gelehrt, die mir im Studium weiter geholfen haben.’’
Vielen Dank für das Interview, Sarah!
Mehr zur Atmosphärenphysik gibt es hier.